Sonntag, 6. September 2015

Marseille - Ungeliebtes Marseille?

Marseille - der Name dieser Stadt weckt bei den wenigsten Menschen positive Assoziationen. Die zweitgrößte Stadt Frankreichs ist bekannt für eine exorbitante Kriminalitätsrate und eine schlechte Arbeitslosenstatistik, was massive soziale Probleme zur Folge hat. Auf der anderen Seite ist Marseille die älteste Stadt Frankreichs, verfügt über eine spannende Geschichte als bedeutender Freihandelshafen und hat als europäische Kulturhauptstadt 2013 international Beachtung gefunden.

Fakt ist, dass Marseille sicherlich polarisiert wie keine andere Stadt:

Marseille ist nicht beschaulich, es hat dafür ziemlich viel an morbidem Charme.


Marseille verfügt trotz seines Alters über wenig Historisches, aber viel Modernes.


Marseille fehlt es an Eleganz, aber es ist lebendig.


Eine pauschale Antwort auf die Frage, ob Marseille einen Besuch wert ist, können wir leider nicht geben. Sie lautet "Nein" für jene, die die Beschaulichkeit von Bad Hofgastein lieben und in Hernals kalte Füße bekommen, sie lautet "Ja" für die, die individualistische Städte wie etwa auch Budapest oder Berlin bevorzugen, gerne entdecken und die Nerven bewahren können, wenn in den Straßen nicht nur fein gekleidete Leute mit den besten Absichten flanieren.

Da die touristischen Informationen über Marseille im Internet grundsätzlich eher rar gesät sind, versuche ich heute besonders ausführlich zu berichten.

Unser (sehr schönes und neues) Hotel liegt gleich beim Bahnhof, was den Vorteil einer sehr zentralen Lage hat, aber jenen Nachteil, dass die Bahnhofsviertel in wohl keiner Stadt zur besten Gegend gehören. In Marseille erst recht nicht ;) Wir würden trotzdem wieder hier nächtigen, weil uns das Hotel selbst sehr zusagt, unseren Freunden würden wir aber wohl eher ein Hotel am touristischeren Vieux Port empfehlen.

Der Vieux Port ist das Herzstück Marseilles. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war der Hafen das wirtschaftliche Zentrum von Marseille, geöffnet für den Seehandel im Mittelmeer und für den Handel mit den Französischen Kolonien. Das Hafengewerbe verlagerte sich dann allmählich weiter nördlich zum jetzigen Marseille Europort. Heute ist der Alte Hafen ein Yachthafen, um den sich links und rechts touristische Lokale, Marktstände und Straßenmaler drängen.


Links und rechts des Hafens thront jeweils ein Fort, das Fort Saint Nicolas auf der einen, das Fort Saint Jean auf der anderen Seite.

Auf der südlichen Seite (vom Scheitelpunkt des Hafens aus gesehen links) findet sich am Ende des Hafens außerdem das Palais du Pharo mit dem ihm umgebenden Park Emile Duclaux. Im Reiseführer nicht erwähnt, sind wir eher durch Zufall auf diesen Ort gestoßen. Ein heißer Tipp für jeden Marseille-Touristen; einen besseren Blick über den alten Hafen gibt es wohl nirgendwo sonst!


Anschließend haben wir uns an den beschwerlichen Aufstieg zu der in 161 Metern Seehöhe liegenden Marien-Wallfahrtskirche Notre-Dame de la Garde gemacht. Es fährt auch ein kleiner Zug dort hin, aber Roman und ich haben angesichts der zahlreichen kulinarischen Exzesse der letzten Tage den Fußweg gewählt.


Die Belohnung war ein umwerfender Rundumblick auf das Dächermeer von Marseille.



Die Basilia ist im neuromanisch-byzantinischen Stil gehalten:


Der Weg hinunter war dagegen rasch bewältigt und wir erkundeteten die Nordseite des Hafens (rechts vom Scheitelpunkt). Dort findet sich das eigentliche historische Herz von Marseille, alte Häuser sucht man dennoch nahezu vergeblich. Im Jänner 1943 wurde nahezu das ganze Stadtviertel am Nordufer des Hafens, das Quartier du Panier, von der Wehrmacht gesprengt und ein großer Teil der Bewohner nach dieser „Rafle de Marseille“ Ende Januar 1943 deportiert. Ein Spaziergang durch dieses Viertel mit seinen zahlreichen Plätzen und Cafés ist dennoch ein Erlebnis.

 

Hier findet sich auch die Cathédrale de la Major, die wie die Notre-Dame de la Garde im neuromanisch-byzantinischen Stil erbaut ist, deren Dimensionen aber um ein vielfaches imposanter sind. Die Kathedrale in ihrer heutigen Form wurde erst 1896 vollendet - angeblich, um den Einwanderern, die per Schiff nach Frankreich kamen, sofort zu verdeutlichen, dass sie hier christlichen Boden betreten werden.


Ein besonderes Highlight war schließlich das Pendant zu unserem Wiener Museumsquartier am Ende des Hafens. Dort befindet sich das Musée des Civilisations de l’Europe et de la Méditerranée, das 2013, als Marseille europäische Kulturhauptstadt war, eröffne wurde.


Nach rund 20 Kilometern Fußmarsch haben wir uns in einem schönen Fischrestaurant schließlich die berühmteste "Sehens"würdigkeit von Marseille gegönnt: Eine echte Bouillabaisse!


Ja, nach unserer Ansicht ist Marseille jedenfalls einen Besuch wert!

4 Kommentare:

  1. Erstaunlich was ihr an einem Tag alles bewältigt. 20 km in der Stadt sind keine Kleinigkeit, Roman hat hoffentlich seine Fitness-App eingeschaltet ��. Wie schaut es eigentlich mit den Temperaturen aus?
    LG von allen Krowoten

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    1. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht so weit gehen. Das ist aber eh besser so, wenn man sich überlegt, was wir alles essen... Dank der Fitness -App wissen wir überhaupt erst, wie weit wir gegangen sind ;)

      Die Temperaturen sind durchgehend herrlich spätsommerlich. Nicht zu heiß, aber so, dass wir fast immer draußen Abendessen können.

      Liebe Grüße nach Kroatien!

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  2. Erstaunlich was ihr an einem Tag alles bewältigt. 20 km in der Stadt sind keine Kleinigkeit, Roman hat hoffentlich seine Fitness-App eingeschaltet ��. Wie schaut es eigentlich mit den Temperaturen aus?
    LG von allen Krowoten

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  3. Der Blick über den Hafen und die Dächer ist sehr schön! Schade, dass die riesigen Kreuzfahrtschiffe bis in die Stadt fahren dürfen, sie stören nämlich das schöne, homogene Bild!

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